Die digitale konsolidierte Patientenakte – Fundament der Digitalstrategie und Wegbereiter geforderter Mehrwerte

Eine Expertendiskussion anlässlich des DRG-Forums 2023

Veröffentlichung: 30.03.2023

Warum brauchen Krankenhäuser Interoperabilitätsplattformen (IOP) für ihre Patientenakten? Welche Vorteile bietet dieser Ansatz? 

Über diese Fragen diskutierte der Fachjournalist Michael Reiter (rechts) auf dem diesjährigen DRG-Forum mit einer Expertenrunde aus (v.l.n.r.) den Krankenhaus-Vertreter:innen der AMEOS Gruppe Katrin Weinhold, IT-Direktorin, und Dr. Michael Regitz, Wirtschaftsinformatiker und Leiter Medizinentwicklung, sowie Wilhelm Brinkmann, Teamleiter IT-Applikationen des St. Vincenz-Krankenhauses Paderborn. Ergänzt wurde der Kreis der Diskutant:innen durch Annett Müller, Geschäftsentwicklung DMI und Leitung der DVMD-Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung KDL“, und Jürgen Bosk, ebenfalls Geschäftsentwicklung DMI.

Heterogenität der Systeme ist der Alltag – Interoperabilität ist die Antwort

In der AMEOS Gruppe, so Katrin Weinhold, ist die Ausgangslage von einer sehr heterogenen Systemlandschaft geprägt. Da AMEOS nicht nur organisch, sondern auch anorganisch wächst, findet sich auf diese Weise, so hat sie das Gefühl, nahezu die ganze KIS-Landschaft des deutschen Gesundheitswesens in den Häusern der Gruppe wieder. Allein schon aus diesem Grund ist eine funktionierende interoperable Plattform für sie von enormer Bedeutung und Hilfe, damit die häuserübergreifende Kommunikation in der Gruppe verbessert und die externen Anforderungen nicht nur aus dem KHZG erfüllt werden können. Ganz wichtig für die interne Kommunikation und Wissensgenerierung ist aus ihrer Sicht, dass die Mitarbeitenden, die aus unterschiedlichen Aspekten heraus auf Patientendokumente zugreifen, diese aus einer Datenquelle bekommen und sie nicht aus diversen Systemen zusammentragen müssen. Momentan gibt es noch sehr unterschiedliche Digitalisierungsgrade in den Häusern und damit verbunden noch zahlreiche Medienbrüche, die es zu überwinden gilt. Der Archivar 4.0 als IOP ist für die AMEOS Gruppe an dieser Stelle das richtige und hilfreiche 

Konzept, um zukünftig weniger Daten migrieren zu müssen. Der Weg zur papierlosen Dokumentation ist für Weinhold noch lange nicht zu Ende gegangen. Aus ihrer Sicht und Erfahrung ist es dabei extrem wichtig, die Mitarbeitenden auf diesem Weg mitzunehmen, um die Akzeptanz für neue Technologien und geänderte Prozesse zu stärken. Somit kommt für Weinhold einem gut designten Changemanagement eine zentrale Bedeutung zu. 

Der Erfolg von IT-Systemen und der Digitalisierung generell, so die IT-Direktorin, hängt zum einen von der Datenqualität und zum anderen sehr stark von der Prozessqualität ab. 

Bei allen systemtechnischen Eingriffen müssen, außer der technischen Umsetzbarkeit, auch die Bedingungen des Patientenrechtegesetzes, des Patientendatenschutzgesetzes und der Datenschutzgrundverordnung umgesetzt und gesichert sein, ergänzt sie ihr Statement.

„Ich träume davon, eines Tages keine Daten                                                                                                        mehr migrieren zu müssen.“

Katrin Weinhold, IT-Direktorin AMEOS Gruppe

Passendes Konzeptdesign und fachspezialisierte Unterstützung

Dr. Regitz sieht aus der Sicht des Medizincontrollings drei besonders spannende Themen in Kontext des Digitalwandels. Zum einen ist es der Zeitfaktor in der Archivierung der Patientendokumente. Die Dokumente, die zum Zeitpunkt ihres Entstehens bereits final sind, können unmittelbar, schon während der Behandlungsphase in das Archiv überführt werden, wohingegen zum Beispiel Medikationen und Verlaufsdokumentationen erst bei der Patientenentlassung abgeschlossen sind und erst dann vom Archiv übernommen werden können. Das zweite immer wieder auftretende Phänomen betrifft Papierdokumente, die von extern kommend in den Behandlungsprozess einfließen. Hierbei ist es für Dr. Regitz wichtig, diese Dokumente zeitnah in das digitale System einfließen zu lassen. Bei Arztbriefen aus externen Vorbehandlungen könnte dies beispielsweise durch dezentrale Archiv-Scanclients im Patientenaufnahmekontext geschehen. Bei externen Befunden, die noch nicht online übertragen werden, wären solche Archiv-Scanclients zum Beispiel in den Sekretariaten denkbar. Als drittes Thema sieht er die vorgabenkonforme Klassifizierung der Dokumente für die Datenübermittlung an den MD. Manuelle Klassifizierungsarbeiten etwa im Medizincontrolling können dabei aus seiner Sicht nicht die Lösung darstellen. 

Für die weitere Entwicklung wünscht sich Dr. Regitz ein Digitalkonzept mit einem interoperablen Archivsystem, das den Zugang zur gesamten Dokumentation ermöglicht. Dadurch ergeben sich aus Sicht des Wirtschaftsinformatikers ganz neue Chancen, zum Beispiel die Krankenhausleitungen über Auswertungen aus dem Datenschatz der Dokumentation mit Informationen, beispielsweise zum Ressourcenverbrauch in Abhängigkeit von spezifischen Behandlungen, zu versorgen. Auch bietet die Digitalisierung durch den Einsatz semantischer Dokumentenerschließung bisher nicht gekannte Unterstützung – unter anderem bei der Diagnosefindung im Kontext der Kodierung. Hier erwartet er zukünftig weitere Unterstützung für den Krankenhausalltag.

„Abgeschlossene Dokumente müssen so schnell wie möglich in das interoperable Archiv gelangen, damit sie zeit-, orts- und personenunabhängig zur Verfügung stehen.“

Dr. Michael Regitz, Wirtschaftsinformatiker und Leiter Medizinentwicklung AMEOS Gruppe

Mit Services und Tools Transparenz und Effizienz steigern

Annett Müller, die über einen profunden beruflichen Hintergrund im Medizincontrolling verfügt, unterstützt die Sicht von Dr. Regitz, dass die beschriebenen Belastungen im Medizincontrolling durch, zum Beispiel die Vorgaben der elektronischen Vorgangsübermittlungsvereinbarung (eVV) für den Austausch mit dem MD, nicht als zusätzlicher Prozessschritt für das Medizincontrolling geleistet werden können. Dies sind, so Müller, Aufgaben für Anwendungssysteme, Kommunikationsserver und vor allem Archivierungsdienstleister, die bereits heute schon über die technologischen Voraussetzungen verfügen und sie bereits als Serviceleistung bei ihren Kunden umsetzen.

Konkret auf das Konzept des Archivar 4.0 eingehend, verdeutlicht Müller dessen Unterstützung beim Changemanagement an einem Beispiel. So macht der vom Archivar 4.0 bereitgestellte digitale Musterordner durch den Gesamteinbezug elektronischer und digitalisierter Dokumente die Dokumentenlandschaft eines Hauses transparent und unterstützt mit diesen Informationen effizient die Arbeit in der Dokumentenlenkung. Durch diesen Service ist für die Verantwortlichen im Haus sichtbar, wo möglicherweise geplante und vereinbarte digitale Prozesse nicht so gelebt werden, wie sie konzipiert wurden. Über das webbasierte Archivar 4.0 Dashboard, als integrativer Bestandteil des Archivar 4.0, werden Auswertungen angeboten, die den Krankenhausleitungen Real-time-Aussagen über den erreichten Grad der Digitalisierung zur Verfügung stellen. Sie liefern damit die Grundlage für die zielgenaue Steuerung und die digitale Transformation von bisher analogen Prozessen. Die von Dr. Regitz skizzierte semantische Auswertung – auch von unstrukturierten Freitextdokumenten – wird laut Müller in einer Servicekomponente des Archivar 4.0 unter Verwendung von Natural Language Processing (NLP) ermöglicht und ist Teil von DAWIMED (Daten Wissen Medizin), einem weiteren Servicebaustein von DMI. So können Leistungsgeschehen in den Kliniken aufgezeigt und damit unter anderem Unterstützung für die Geschäftsfeldentwicklung eines Hauses gegeben werden.

„Der DMI Archivar 4.0 vereint zukunftsfest Datencapturing, Datenprocessing und Datenkommunikation. Er bietet somit eine effiziente Unterstützung im Digitalwandel.“

Annett Müller, Geschäftsentwicklung DMI und Leitung der DVMD-Arbeitsgruppe Weiterentwicklung KDL

Interoperabilitätsplattformen unterstützen die intersektorale Vernetzung zwischen Leistungserbringern auch in der Cloud

Für Wilhelm Brinkmann vom St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn kommt der digitalen konsolidierten Patientenakte, besonders im regionalen Austausch mit anderen Krankenhäusern, Ärzt:innen und Patient:innen, eine zentrale Bedeutung zu. Im Leuchtturmprojekt der digitalen Gesundheitsplattform Ostwestfalen-Lippe ist das Ausschöpfen von Innovationspotenzialen ein ganz wesentlicher Beweggrund, Interoperabilitätsplattformen einzurichten. Damit verbunden ist neben einer neuen Systemarchitektur auch die Optimierung von Versorgungsprozessen. Die interoperable Vernetzung von Akutkrankenhäusern, niedergelassenen Versorgern und Leistungserbringern in der Region beschleunigt und verbessert spürbar den Informationsfluss und die Behandlungssicherheit zwischen allen Beteiligten. Ein solcher Ansatz unterstützt, zum Nutzen der Patient:innen, die Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Akteuren sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung. IOP wie auch der Archivar 4.0 sind aus Brinkmanns Sicht der zielführende Weg, Gesundheitsdaten zeit- und ortsunabhängig zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang kann er sich auch Cloudlösungen gut vorstellen, da sie verhältnismäßig einfach in die Kommunikationslandschaft der Leistungserbringer integrierbar sind und dadurch gute Erweiterungsmöglichkeiten für den Teilnehmerkreis solcher Plattformen bieten. Allerdings müssen, so die Forderung des Teamleiters IT-Applikationen, Cloudanbieter die individuellen Prozesse der Teilnehmenden effektiv und flexibel unterstützen und keine in sich geschlossene Lösungen darstellen. 

„Eine wirksame Vernetzung von Akutkrankenhäusern, niedergelassenen Versorgern und Leistungserbringern ist ohne eine Interoperabilitätsplattform nicht denkbar.“

Wilhelm Brinkmann, Teamleiter IT-Applikationen St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn

Kommunikationsserver und revisionssicheres Archiv als Kernstücke der -Interoperabilitätsplattformen

Jürgen Bosk, in der Geschäftsentwicklung DMI für innovative Lösungsansätze verantwortlich, macht in seinem Statement deutlich, dass alle Stakeholder von der Digitalisierung eine Verbesserung für die jeweilige Interessenlage erwarten. Für die Krankenhäuser sieht er den Vorteil darin, dass alle Informationen, die im Kontext einer Behandlung benötigt werden, zur Verfügung stehen, wenn sie gebraucht werden und nicht mehrfach redundant erhoben werden. Die Notwenigkeit der situativen Verfügbarkeit gilt dabei auch für die Erlössicherung nach Abschluss der Behandlung. Auch für Bosk bedarf es neben der technologischen Infrastruktur vor allem funktionierender Prozesse, damit Effizienzpotenziale realisiert werden können. Bidirektionale Kommunikation muss so gestaltbar sein, dass die Ergebnisse in einer konsolidierten Hybridakte über ein entsprechendes Rollenkonzept an allen benötigen Stellen zur Verfügung stehen. Zentrales Element ist hierbei für Bosk ein Kommunikationsserver, der Dokumente entgegennimmt, sie interoperabel an die richtige Stelle im Archiv weiterleitet, bei Anfragen die Antworten aus einem revisionssicheren Archiv herausholt und verkehrsfähig und -sicher an die richtige Stelle übermittelt. Auch für Bosk kommen neben Systemtechnik und Software den angepassten und optimierten Prozessen entscheidende Bedeutung 

zu. Alle Beteiligten, von Patient:innen über Ärzt:innen bis hin zu Pflegepersonal, müssen das sichere Gefühl haben, dass die Prozesse sie unterstützen und nicht sie die Prozesse unterstützen.

Besonders mit Blick auf zukünftige, sich bereits in Vorbereitung befindende Anforderungen – als Beispiel nennt Bosk das Gesundheitsdatennutzungsgesetz – fordert er, dass IOPs so gestaltet werden, dass nicht mit jeder neuen Anforderung in neue Systeme investiert werden muss, sondern dass IOPs modular skalierbar sich nach Bedarf und Leistungsfähigkeit der Nutzer:innen ausrichten. Hier sieht er gute Chancen für bedarfsorientierte Serviceangebote aus dem Markt, denn Krankenhäuser werden in aller Regel nicht in der Lage sein, mit eigenen Ressourcen die benötigten Lösungen zu schaffen. So könnten auch Cloudlösungen in vielen Anwendungsfällen der passende Ansatz sein. Für Bosk ist die Zuverlässigkeit von Anbietern eine Kernforderung. Krankenhäuser, so lautet sein Credo, wollen Lösungen nutzen und müssen sich dabei auf die Vertrauenswürdigkeit des Angebotenen wie des Anbieters verlassen können. Alle Compliance-Anforderungen müssen erfüllt werden.

„Krankenhäuser müssen sich auf die Vertrauenswürdigkeit des Angebotenen wie des Anbieters verlassen können. Sie wollen funktionable und verkehrssichere Lösungen, die sich an ihren Bedarfen orientieren.“ 

Jürgen Bosk, Geschäftsentwicklung, DMI 

Der Weg ist vorgezeichnet

In der finalen Runde betonten alle Diskussionsteilnehmenden noch einmal einhellig die Notwendigkeit effizienter Prozesse als eine Grundbedingung für ein funktionierendes und effizientes Digitalkonzept. Dabei kommt der Zukunftsoffenheit der angebotenen und installierten Lösungen ein großes Gewicht zu: Investitionssicherheit durch Zukunftsoffenheit. Unisono sehen alle Diskutanten in der interoperablen Kommunikation und Informationsgewinnung große Chancen für die weitere Entwicklung des Digitalwandels. 

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